(Dies ist die Übersetzung eines JCO Artikels für japanischen Management)
Vertrauen ist ein Grundpfeiler der japanischen Arbeits- und Geschäftskultur.
Die Beziehungen zwischen Kunde und Lieferant, aber auch zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitenden, sind tief in diesem Vertrauen verwurzelt – es bildet einen wesentlichen Bestandteil der japanischen Unternehmenskultur.
Daran wurde ich erinnert, als sich der Personalchef eines bekannten japanischen Unternehmens in Deutschland mit einer interessanten Frage an mich wandte:
Wie könne er seinen japanischen Expatriate-Managern erklären, dass es in Europa nicht einfach möglich ist, Mitarbeitende zu entlassen – selbst dann, wenn das Vertrauen so stark beschädigt ist, dass eine weitere Zusammenarbeit kaum noch vorstellbar erscheint?
Diese Frage hat mich nachdenklich gestimmt. Schließlich ist es in Japan traditionell sogar noch schwieriger und unüblicher, Mitarbeitenden einfach zu kündigen, als in Europa.
Mein erster Gedanke war: Warum erwarteten diese japanischen Führungskräfte, dass es hierzulande relativ einfach gehen würde?
Vielleicht beruhte es auf der Annahme zugrunde, dass die europäischen Rahmenbedingungen für Beschäftigung denen in den USA ähneln – wo Einstellen und Entlassen deutlich flexibler gehandhabt werden. Doch jeder, der mit europäischem Arbeitsrecht vertraut ist, weiß, dass das keineswegs der Fall ist.
Ich fragte mich auch, ob hier eine emotionale Komponente mitschwingt. Obwohl sich die japanische Arbeitskultur in den letzten Jahren stark verändert hat, bleibt die Identifikation der Mitarbeitenden mit ihrem Unternehmen und Team außergewöhnlich hoch. Manche japanische Manager könnten sich daher persönlich enttäuscht fühlen, wenn europäische Mitarbeitende weniger Loyalität oder Einsatzbereitschaft zeigen – was wiederum den Wunsch verstärken kann, sich rasch zu trennen, sobald das Vertrauen erschüttert ist.
Doch es ist wichtig zu verstehen, dass Führungskräfte in Europa ganz andere Verantwortlichkeiten im Umgang mit Mitarbeitenden tragen.
Der europäische Ansatz zum Mitarbeiter-Feedback
Nehmen wir Deutschland als Beispiel: Wenn Leistung oder Verhalten eines Mitarbeitenden problematisch werden, gibt es einen strukturierten Prozess, der eingehalten werden muss, bevor überhaupt über eine Kündigung nachgedacht werden kann.
Das zugrunde liegende Prinzip lautet: Mitarbeitende haben das Recht, klar über Probleme informiert zu werden – und eine faire Chance zur Verbesserung zu erhalten.
Deshalb spielt kontinuierliches Feedback eine zentrale Rolle. Man kann es mit dem Schalten eines Ganges im Auto vergleichen:
- Das erste mündliche Feedback ist sanft – wie der erste Gang.
- Wenn keine Verbesserung eintritt, „schaltet“ die Führungskraft höher – zweiter, dritter Gang – und wird schrittweise klarer und konkreter in Bezug auf Erwartungen und mögliche Konsequenzen.
Diese Art von strukturiertem und konsistentem Feedback erfordert Selbstvertrauen und Klarheit – sie zählt zu den wichtigsten Führungsfähigkeiten auf allen Ebenen in Europa.
Im Unterschied zu den USA, wo Entscheidungen häufiger von oben nach unten getroffen werden, können europäische Manager nicht einfach Anweisungen erteilen. Erfolg basiert hier auf kontinuierlichem Dialog mit dem Team und den direkten Mitarbeitenden.
Die Rolle von HR und Dokumentation
Ein weiterer häufig unterschätzter Punkt ist die frühzeitige Einbindung der Personalabteilung.
In Ländern wie Deutschland ist eine Kündigung ohne vorherige Abmahnungen rechtlich nicht möglich. HR muss darüber informiert sein, in welchem „Gang“ sich der Feedback-Prozess gerade befindet.
Ab dem dritten Gang sollte HR üblicherweise in alle Gespräche eingebunden sein, um zu bewerten, wann eine formelle schriftliche Abmahnung angebracht ist. Ohne nachvollziehbare Dokumentation, die zeigt, dass dem Mitarbeitenden mehrere Chancen zur Verbesserung gegeben wurden, ist es nahezu unmöglich, eine Kündigung vor Gericht zu rechtfertigen. Solche Fälle sind erfahrungsgemäß kostspielig und zeitaufwendig.
Ein Perspektivwechsel
Vielleicht lautet die eigentliche Frage also nicht:
„Warum kann ich jemanden nicht einfach entlassen, wenn klar ist, dass wir nicht mehr zusammenarbeiten können?“
Sondern vielmehr:
„Was muss ich als japanische Führungskraft lernen, um sowohl mit Mitarbeitenden als auch mit HR klar zu kommunizieren – damit alle frühzeitig die Situation verstehen und es später keine unangenehmen Überraschungen gibt?“
Bei Japan Consulting Office unterstützen wir genau in diesen Situationen – mit Training, Beratung und Coaching, damit Führungskräfte kulturelle Unterschiede verstehen und in internationalen Kontexten erfolgreich führen können.